Sind russische soziale Netzwerkwerke vom Digital Services Act betroffen?

Ausländische soziale Netzwerkwerke fallen nicht in den Anwendungsbereich des Digital Services Act (DSA), wenn weder eine Niederlassung in der Union besteht, noch eine erhebliche Verbindung durch Nutzerzahlen oder gezielte Aktivitäten in die EU besteht (Art. 2, 3 lit. d, e, Erwägungsgrund 8 DSA).

Gemäß Artikel 3 Buchstabe e) des DSA besteht eine „wesentliche Verbindung“ in die Union wenn eine der nachstehenden Voraussetzungen vorliegt:

– Eine erheblichen Anzahl von Nutzern in einem oder mehreren Mitgliedstaaten im Verhältnis zu deren Bevölkerung, ODER

– Die Ausrichtung von Aktivitäten auf einen oder mehrere Mitgliedstaaten.

Der DSA enthält keine spezifische numerische Definition des Rechtsbegriffs „erhebliche Nutzerzahl“. Ein absoluter Schwellenwert fehlt. Geregelt ist nur, dass die „erhebliche Nutzerzahl“ stets im Verhältnis zur Bevölkerungsgröße des jeweiligen Mitgliedstaats zu ermitteln ist. Die herrschende Literatur sieht als Orientierung einen Schwellenwert bei 5-10% der Bevölkerung eines Mitgliedstaats als Orientierung vor[1]. Dieser Wert dürfte für russische Netzwerke in der Europäischen Union momentan nicht erreicht sein.

Daher hängt die Anwendung des DSA auf russische Netzwerke davon ab, ob eine „wesentliche Verbindung“ aufgrund der Der Ausrichtung von Aktivitäten auf einen oder mehrere EU-Mitgliedstaaten festgestellt werden kann. Hierzu sind weiche Faktoren heranzuziehen, die sich insbesondere aus dem Erwägungsgrund Nr. 8 des DSA ergeben. In der Regel dürfte die Anwendung aufgrund fehlender Targeting-Faktoren in der Union scheitern, insbesondere:

  • Keine europäischen Top-Level-Domains (TLD)[2], eine .com Domain reicht in der Regel nicht.
  • Keine Werbung oder Marketing in Deutschland oder der EU[3].
  • Keine ordnungsgemäße deutsche Benutzeroberfläche[4] (nur technische Teilübersetzungen, verbleibende Elemente in russischer Sprache).
  • Keine echten EUR-Zahlungsoptionen[5].
  • Kein Kundendienst auf Deutsch[6].
  • Die reine Verfügbarkeit des Interfaces oder Teile des Interfaces in englischer Sprache, die in den kleinsten Ländern Europas (Malta und Irland) gesprochen wird, ist unserer Ansicht nach nicht ausreichend, da die Situation analog mit der weltweiten Verfügbarkeit einer .com Domain vergleichbar ist.
  • Auch die Verfügbarkeit in weltweiten AppStores spricht noch nicht für eine „wesentliche Verbindung“ in die Union. Anders wäre es, wenn europaspezifische Stores bedient würden (EU Store), wie sie in China oder Russland verbreitet sind (RU Store). Dies ist meist gerade nicht der Fall.

[1] Kraul/Maamar, § 4 Rn. 31: 5-10%; agreeing Busch Art. 2 DSA-DMA ref. 7.

[2] Hofmann Digital Services Act, Art. 2 Rn. 19; ähnlich Nutzung eines Markenrechts in der EU: BGH 7.11.2019 -1 ZR 222/17, GRUR2020,647, Rn. 27 ff. – Club Hotel Robinson.

[3] Erw. 8 DSA.

[4] aaO.

[5] aaO.

[6] aaO.