Zur Anerkennung und Wirkung russischer Insolvenzentscheidungen in Deutschland und Österreich

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Russland ist in Deutschland anzuerkennen ohne dass es einer weiteren Anerkennungsentscheidung bedarf. Die Prüfung er Anerkennungsfähigkeit erfolgt außerhalb des Anwendungsbereiches der EuInsVO, so dass das inländische Insolvenzgericht nur zu prüfen hat, ob der russische Eröffnungsbeschluss gemäß § 343 InsO im Inland anzuerkennen ist[1].

Den Inhalt ausländischer Rechtsvorschriften hat das Registergericht dabei von Amts wegen zu ermitteln (§ 26 FamFG). Dabei hat z.B. der Beschluss über die Insolvenzeröffnung im Schuldenregulierungsverfahren (als Vorstufe zur Eröffnung des Insolventverfahrens) im Rahmen von russischen Privatinsolvenzen die Qualität einer Eröffnungsentscheidung im Sinne des § 343 InsO, denn Art. 213.25. Abs. 5 [2] des russischen Insolvenzgesetztes („InsG Rus“) bestimmt, dass die Verfügungsmacht über die Insolvenzmasse auf den Insolvenzverwalter kraft Gesetztes übergeht. Weiter gilt für den Schuldner ein absolutes Verfügungsverbot. Dies gilt erst Recht, wenn in der russischen Entscheidung ein „starker“ Insolvenzverwalter bestellt ist (so AG Köln für Eröffnungsentscheidung iSd EuInsVO, Beschluss vom 06. November 2008 – 71 IN 487/07 –, juris).

Liegen die Voraussetzungen des § 343 InsO, so hat das angerufene deutsche Insolvenzgericht auf Antrag des ausländischen Insolvenzverwalters hin den wesentlichen Inhalt der Entscheidung über die Verfahrenseröffnung und der Entscheidung über die Bestellung des Insolvenzverwalters im Inland bekannt zu machen (§  345 Abs. 1 S.1 InsO). Weiter sind in Deutschland anhängige Verfahren aufgrund der russischen Insolvenzeröffnung zu unterbrechen.

1. das Wesen der Eintragung einer Forderung in die Insolvenztabelle eines Schuldners in Russland und dessen Wirkungen in Deutschland

Der Eintrag in die Insolvenztabelle steht in Russland einem materiell-rechtlichen Vollstreckungstitel über den materiell-rechtlichen Anspruch gleich. Die Frage, ob auch solche sog. „Annexentscheidungen“ im Insolvenzverfahren (hier Feststellung zur Tabelle) von der Anerkennungswirkung des § 343 InsO erfasst sind, wird von der Rechtsprechung und Literatur aber verneint[3] (vgl. Rn 51 des Urteils des 6. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg vom 01.03.2018 (6 U 242/15). Selbiges dürfte auch in Österreich gelten, da die Vorschrift die dort geltende Vorschrift § 240 IO inhaltlich und systematisch gleich gestaltet ist.

Der 6. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg hat bei sog. Annexentscheidungen ausdrücklich von der Anerkennungswirkung des § 343 InsO ausgenommen (Urteil vom vom 01.03.2018, 6 U 242/15). In Rn 51 des in Bezug genommen Urteils des OLG Hamburg heißt es:

„Nicht von der Anerkennungswirkung des § 343 InsO erfasst werden zwar sog. „Annexentscheidungen“ (vgl. Thole in Münchener Kommentar, a.a.O., § 343, Rn. 85). Als Beispiele werden „Feststellungsprozesse“ genannt (a.a.O., § 343, Rn. 86). Deswegen dürfte die Auffassung der Klägerin zutreffend sein, dass die Anerkennung der Forderung der Klägerin im Insolvenzverfahren sich hier nicht unmittelbar auswirkt, weil die Voraussetzungen des § 328 ZPO vorliegen müssen, u.a. die Gegenseitigkeit (die nach Auffassung des Senats nicht gegeben ist, vgl. das nicht rechtskräftige Urteil vom 13.7.2016, 6 U 152/11). Das spielt aber für die vorliegend zu beantwortende Frage, ob eine Unterbrechung eingetreten ist, keine Rolle. Für die Unterbrechung gemäß § 352 InsO reicht es aus, dass die Insolvenzeröffnung anerkannt wird. Ob dann auch bestimmte weitere Umstände (wie die Feststellung zur Insolvenztabelle, also die materielle Berechtigung der Forderung) anerkannt werden, spielt für die Anerkennung der Eröffnung und die Unterbrechung keine Rolle.“

2. Die Auswirkungen der Abweisung eines Antrags auf Eintragung einer Forderung in die Insolvenztabelle des Schuldners in Russland auf eine spätere zivilrechtliche Geltendmachung dieses Anspruchs in Deutschland oder Österreich (liegt eine urteilsgleiche Wirkung vor? ie: steht der späteren Geltendmachung die entschiedene Rechtssache entgegen?)

Ganz allgemein kann die Rechtskraft eines abweisenden Feststellungurteils nur soweit reichen, wie über den Klagegegenstand entscheiden wurde. So kann es in Russland durchaus vorkommen, dass ein Insolvenzgericht allfällige deliktische Ansprüche nicht prüft (z.B. Straftaten des Geschäftsführers aus Veruntreuung und Unterschlagung von Firmenvermögen), sondern sich nur auf schuldrechtliche Ansprüche beschränkt. Die Verjährungsfristen für deliktische Ansprüche sind aber meist länger, sodass deren Geltendmachung zu einem späteren Zeitpunkt durchaus praktische Bedeutung erhält.

In einem vielbeachteten russischen Insolvenzverfahren wies das Wirtschaftsgericht Krasnodar im Einstellungsbeschluss über das Insolvenzverfahrens explizit darauf hin, dass die Gläubigerin ihre Forderung außerhalb des Insolvenzverfahrens geltend machen könne (vgl. S. 7, 8 des Beschlusses):

„Gläubiger, deren Forderungen vor Einstellung des Konkursverfahrens nicht befriedigt wurden, sind berechtigt, ihre Forderungen gegen den Schuldner außerhalb des Konkursverfahrens anzumelden, da einem Gläubiger nach der Beendigung des Konkursverfahrens nicht das Recht vorenthalten wird, die Befriedigung seiner Forderungen im Rahmen eines Gerichtsverfahrens zu verlangen oder selbständig einen gerichtlichen Antrag auf Anerkennung des Schuldners als zahlungsunfähig (Konkurs) zu stellen, wenn es dafür Gründe gibt.“

„Der Firma … steht es frei, ihre Forderung außerhalb des Konkursverfahrens gegen den Schuldner geltend zu machen, um sich zu befriedigen. Diese Rechtsauffassung wird durch die bestehende Gerichtspraxis bestätigt, insbesondere durch den Beschluss des Föderalen Arbitragegerichts des Uralbezirks vom 12.07.2007, <…>“

Für Österreich gilt in diesem Zusammenhang der Entscheidungstext OGH 16.06.2008 8 Ob 18/08t zu beachten, demnach sind im inländischen Zivilprozess die Regeln über die Rechtshängigkeit (Streitanhängigkeit) im Hinblick auf das ausländische Verfahren dann anzuwenden, wenn das zu erwartende ausländische Urteil im Inland anerkennungsfähig wäre. Gleiches muss im internationalen Kontext auch für den Grundsatz der entschiedenen Rechtssache (res iudicata) gelten.

Folglich steht ein russisches Urteil über die Abweisung der Feststellungsklage zur Insolvenztabelle wegen Verjährung einer erneuten Entscheidung in Österreich (ggfls. in Deutschland) nicht entgegen.


[1] Schmahl/Busch, in: MünchKomm InsO, § 31 Rz. 65.

[2] С даты признания гражданина банкротом: все права в отношении имущества, составляющего конкурсную массу, в том числе на распоряжение им, осуществляются только финансовым управляющим от имени гражданина и не могут осуществляться гражданином лично;

сделки, совершенные гражданином лично (без участия финансового управляющего) в отношении имущества, составляющего конкурсную массу, ничтожны. Требования кредиторов по сделкам гражданина, совершенным им лично (без участия финансового управляющего), не подлежат удовлетворению за счет конкурсной массы;

[3] Vgl. Thole in Münchener Kommentar, für inhaltsgleichen § 343 InsO, Rn. 85.