Zu den Haftungvoraussetzungen eines Geschäftsführers einer russischen OOO (GmbH) für Fehlverhalten gegenüber der Gesellschaft


In Betracht kommt sowohl der allgemeine deliktische Anspruch (1064 Abs. 1 ZGB Rus[1]), als auch die Anspruchsgrundlage für die Geschäftsführerhaftung gemäß Art 53.1 Abs. 1[2] ZGB Rus und Art. 44 Abs. 2[3] des GmbHG Rus, deren Voraussetzungen weitgehend dem deutschen § 43 Abs. 2 GmbHG entsprechen. Art. 53 Abs. 3[4] ZGB Rus statuiert die Loyalitäts- und Treuepflicht des Generaldirektors.

Anzumerken ist, dass das russische Deliktrecht nicht bei erst Verletzung des Eigentums, sondern auch bei Verletzung des „Vermögens“ greift, das heißt auch bei der unberechtigten Abzweigung von Geld, ist das geschützte Rechtsgut verletzt (vgl. P. 1 Art. 1064 ZGB Rus).

Die Haftungsvoraussetzungen der Geschäftsführerhaftung sind a) Pflichtverletzung des Geschäftsführers[5], b) Schaden der Gesellschaft, c) Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden.

Punkt 2. der Plenarverordnung Nr. 62, welche das Oberste Wirtschaftsgericht als Richtlinie Russland erlassen hat, sieht Beweiserleichterungen zugunsten des Klägers für den Nachweis der Pflichtverletzung vor, insbesondere, wenn der Generaldirektor:

  • „gehandelt hat, als ein Konflikt zwischen seinen persönlichen Interessen (Interessen der verbundenen Unternehmen des Direktors) und den Interessen der juristischen Person bestand,…
  • ein Geschäft ohne die gesetzlich oder satzungsmäßig vorgeschriebene Zustimmung der zuständigen Organe der juristischen Person vorgenommen hat.“ (Anm.) Für sog. Geschäfte großen Umfangs (d.h. für Geschäfte, die 25% des Eigenkapitalwerts ausmachen) ist gemäß Art 46 des GmbHG Rus[6] die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich. Das Stammkapital der OOO Firma Graviton beträgt nur 53.160 RUB (per 2014 ca. 600 EUR). Die Zustimmung der Gesellschafterversammlung wurde unstreitig nicht eingeholt.
  • wusste oder hätte wissen müssen, dass seine Handlungen (Unterlassungen) zum Zeitpunkt ihrer Beauftragung nicht im Interesse der juristischen Person lagen, z. B. wenn er ein Geschäft mit einer Person schließt, von der er wusste, dass sie nicht in der Lage war, die Verpflichtung zu erfüllen („Eintagsgesellschaften“ (Anm. Briefkastengesellschaften) usw.).“ Vgl. auchZahlungen auf nachteilige Geschäfte an sog. „Eintagsgesellschaften“, d.h. Gesellschaften, die nur vorübergehend gegründet und alsbald wieder liquidiert wurden (Urteil des Wirtschaftsgerichts Fernöstlicher Bezirk vom 17.04.2018 – A51-18142/2015[7]).

Insbesondere gehört auch das sog. Auswahlverschulden des Geschäftsführers zur Geschäftsführerhaftung. Danach haftet der Geschäftsführer auch für von ihm auserwählte Vertreter, wenn er diese nicht ausreichend kontrolliert hat (vgl. z.B. Abzeichung gefälschter Warenannahmequittungen: Urteil des Appellationsgerichts des Volgo-Vziatsky Okrug vom 09.02.2015 А79-616/2014)[8].

Ferner sieht P. 6 der Plenarverordnung Nr. 62 Beweiserleichterungen für den Schadensnachweis vor, wenn der Schaden nicht eindeutig nachweisbar ist (Freibeweis).

Zur Erforderlichkeit eines Gesellschafterbeschlusses für eine Klage gegen den Generaldirektor

Nach dem russischen Gesellschaftsstatut ist für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Generaldirektor kein Gesellschafterbeschluss erforderlich ist. Insbesondere sehen die Haftungsnormen Art. 53.1 ZGB Rus und Art 44 GmbHG Rus keine derartige Voraussetzung vor.


[1] Art. 1064 Abs. 1 ZGB Rus (übers.): Ein Schaden, der der Person oder dem Vermögen eines Bürgers sowie dem Vermögen einer juristischen Person zugefügt wurde, ist vom Schädiger in vollem Umfang zu ersetzen.

[2] Art. 53.1 Abs. 1 ZGB Rus: (1) Die Person, die kraft Gesetzes, sonstigen Rechtsaktes oder Gründungsvertrages einer juristischen Person befugt ist, die juristische Person zu vertreten (Art. 53 Abs. 3 ZGB), ist auf Verlangen der juristischen Person oder ihrer Gesellschafter, die für sie im Interesse der juristischen Person auftreten, verpflichtet, der juristischen Person den durch sie schuldhaft verursachten Schaden zu ersetzen.

Die Person, die kraft Gesetzes, sonstigen Rechtsaktes oder Gründungsvertrages einer juristischen Person befugt ist, die juristische Person zu vertreten, haftet, wenn nachgewiesen ist, dass sie in Ausführung ihrer Rechte und Pflichten nicht gewissenhaft oder nicht ordnungsgemäß handelt, insbesondere bei Verstößen gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht im Rechtsverkehr oder gegen das allgemeine unternehmerische Risiko.

[3] 44 Abs. 2 GmbHG Rus: (2) Die Mitglieder des Direktorenrates (des Aufsichtsrates) der Gesellschaft, das Einpersonen-Exekutivorgan der Gesellschaft, die Mitglieder des kollegialen Exekutivorgans der Gesellschaft und der Verwalter der Gesellschaft haften gegenüber der Gesellschaft für Verluste, die der Gesellschaft durch ihre schuldhafte Handlungen (Unterlassung) zugefügt wurden, soweit durch Föderationsgesetze keine anderen Grundlagen und kein anderer Umfang der Haftung festgelegt sind.

[4] Art. 53 Abs. 3 ZGB Rus (Übersetzung) (3) Die Person, die kraft Gesetzes, sonstigen Rechtsaktes oder Gründungsvertrages einer juristischen Person befugt ist, die juristische Person zu vertreten, hat gewissenhaft und sorgfältig im Interesse der juristischen Person zu handeln.

[5] Übersetzt aus dem Russischen: Umstände, die Unlauterkeit und (oder) Unangemessenheit der Handlungen (Untätigkeit) des Geschäftsführers belegen.

[6] Ein Geschäft großen Umfangs ist eine Transaktion, die über die normale Geschäftstätigkeit der Gesellschaft hinausgeht und deren Wert mehr als 25% des Buchwerts des Gesellschaftsvermögens beträgt (Artikel 46, Abs.1 des Gesetzes vom 08.02.1998 Nr. 14-FZ „Über Gesellschaften mit beschränkter Haftung“).

[7] Постановление АС ДО от 17.04.2018 по делу А51-18142/2015.

[8] Постановление АС ВВО от. 09.02.2015 (А79-616/2014).